Rund um den Job: Status Schwerbehinderung

Der folgende Artikel wurde von der Kanzlei KERNER Rechtsanwälte, Fachkanzlei für Arbeitsrecht in Hannover, zur Verfügung gestellt.

Ich und schwerbehindert?

Ob du deine Rückkehr in den Job schon hinter dir hast, bereits planst oder noch eine Auszeit brauchst, die Frage nach der Schwerbehinderung solltest du dir stellen. Dabei ist es hilfreich, sich von dem Wort zu lösen und auf die Folgen zu schauen, die sich aus diesem Status für dich ergeben. Der Staat versucht auf diese Weise, deine Nachteile abzumildern.

Schwerbehindert, was heißt das eigentlich?

Du gilst als schwerbehindert bei einem Grad der Behinderung (GdB) von 50 oder mehr. Ab einem GdB von 30 kann auf Antrag durch die Agentur für Arbeit die Gleichstellung mit dem Schwerbehindertenstatus erfolgen. Für den Arbeitsplatz einschließlich Kündigungsschutz (siehe unten) ergeben sich dann die gleichen Folgen wie bei einer „echten“ Schwerbehinderung. Die Feststellung über den GdB trifft das Versorgungsamt, wenn nicht vorher die Rentenversicherung oder ein Gericht darüber entschieden hat.

Wie wird der GdB ermittelt?

Das Versorgungsamt richtet sich bei der Ermittlung deines GdB nach den so genannten Versorgungsmedizinischen Grundsätzen. Das Dokument kannst du hier ansehen. Mehrere Einschränkungen können zwar zusammenwirken und so einen GdB von 50 ergeben, es wird aber nicht im klassischen Sinne addiert. Gezählt wird in 10er-Schritten. Entscheidend für das Ergebnis ist die tatsächliche Einschränkung deiner täglichen Leistungsfähigkeit, so kann sich z.B. auch eine (wiederholte) Chemotherapie mit ihren Begleiterscheinungen auswirken. Brustkrebs kann zu einer zeitweisen oder dauerhaften Einschränkung deiner Leistungsfähigkeit führen. Pauschale GdB-Werte gibt es für Brustkrebspatientinnen nicht, die versorgungsmedizinischen Grundsätze sehen allerdings je nach medizinischer Maßnahme, z.B. Mastektomie, einen GdB im Bereich zwischen 10 und 80 vor. Der Grad wird ggf. nach einer Heilungsbewährungszeit angepasst.

Was bringt der Status Schwerbehinderung?

Folgende Vorteile ergeben sich in Bezug auf den Job bei einer anerkannten Schwerbehinderung oder Gleichstellung:

1. Bevorzugte Einstellung (§§ 164, 165 SGB IX)

Arbeitgeber sind verpflichtet zu prüfen, ob freie Arbeitsplätze mit schwerbehinderten Menschen, insbesondere mit bei der Agentur für Arbeit arbeitslos oder arbeitsuchend gemeldeten schwerbehinderten Menschen, besetzt werden können (§ 164 Abs. 1 SGB IX). Durch geeignete Maßnahmen haben sie sicherzustellen, dass mindestens die gesetzlich vorgeschriebene Anzahl behinderter Menschen in dem Unternehmen beschäftigt werden (§ 164 Abs. 3 SGB IX). Außerdem sind öffentliche Arbeitgeber dazu verpflichtet, schwerbehinderte Bewerberinnen oder Bewerber zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen. Siehe dazu auch hier.

2. Adäquate Beschäftigung und Weiterbildung (§ 164 SGB IX)

Schwerbehinderte Menschen haben gegenüber ihren Arbeitgebern gem. § 164 Abs. 4 SGB IX Anspruch auf

  • Beschäftigung, bei der sie ihre Fähigkeiten und Kenntnisse möglichst voll verwerten und weiterentwickeln können,

  • bevorzugte Berücksichtigung bei innerbetrieblichen Maßnahmen der beruflichen Bildung zur Förderung ihres beruflichen Fortkommens,

  • Erleichterungen im zumutbaren Umfang zur Teilnahme an außerbetrieblichen Maßnahmen der beruflichen Bildung,

  • behinderungsgerechte Einrichtung und Unterhaltung der Arbeitsstätten einschließlich der Betriebsanlagen, Maschinen und Geräte sowie der Gestaltung der Arbeitsplätze, des Arbeitsumfelds, der Arbeitsorganisation und der Arbeitszeit, unter besonderer Berücksichtigung der Unfallgefahr,

  • Ausstattung ihres Arbeitsplatzes mit den erforderlichen technischen Arbeitshilfen

3. Sonderkündigungsschutz (§§ 168 ff SGB IX)

Als Schwerbehinderte oder Gleichgestellte genießt du einen besonderen Kündigungsschutz: Die Kündigung eines länger als sechs Monate andauernden Arbeitsverhältnisses bedarf dann der vorherigen Zustimmung des Integrationsamtes (§ 168 SGB IX). Das Integrationsamt holt eine Stellungnahme des Betriebsrates oder Personalrates und der Schwerbehindertenvertretung ein, hört den schwerbehinderten Menschen an und wirkt auf eine gütliche Einigung hin (§ 170 Abs. 2, 3 SGB IX). Das gilt selbst bei außerordentlichen, also fristlosen Kündigungen. Damit der Sonderkündigungsschutz gilt, muss zum Zeitpunkt der Kündigung nachgewiesen sein, dass du schwerbehindert oder gleichgestellt bist. Der Nachweis liegt dann vor, wenn der GdB von mindestens 50 oder die Gleichstellung festgestellt wurde. Es muss also einen entsprechenden Bescheid geben. Dieser Nachweis muss aber nicht gegenüber dem Arbeitgeber erfolgt sein, du musst deinen Bescheid also nicht – jedenfalls nicht sofort – dem Arbeitgeber offenlegen.

4. Begleitende Hilfe im Arbeitsleben (§ 185 SGB IX)

Zu den Aufgaben der Integrationsämter zählt die Durchführung der so genannten begleitenden Hilfen im Arbeitsleben für schwerbehinderte Menschen. Hierzu gehört unter anderem die Beratung zu den Fragen des Arbeitslebens, vor allem bei Schwierigkeiten in Bezug auf die Schwerbehinderung und bei Konflikten mit Vorgesetzten oder Kollegen. Es können auch finanzielle (Arbeits-)Hilfen beansprucht werden.

5. Freistellung von Mehrarbeit (§ 207 SGB IX)

§ 207 SGB IX lautet schlicht: „Schwerbehinderte Menschen werden auf ihr Verlangen von Mehrarbeit freigestellt.“. Unter Mehrarbeit ist die über die gesetzliche Arbeitszeit hinaus geleistete Arbeit zu verstehen, also mehr als acht Stunden täglich (§ 3 S. 1 Arbeitszeitgesetz). Gründe für das Verlangen der Freistellung von solcher Mehrarbeit musst du nicht angeben.

6. Zusatzurlaub (§ 208 SGB IX)

Als Schwerbehinderte hast du Anspruch auf zusätzlichen bezahlten Urlaub in Höhe von fünf Arbeitstagen pro Urlaubsjahr, wenn deine Arbeitszeit auf fünf Arbeitstage wöchentlich verteilt ist (ansonsten entsprechend weniger oder mehr Tage). Achtung: Dieser Anspruch gilt nicht bei einer Gleichstellung.

7. Vorgezogene Altersrente um bis zu 5 Jahre (§§ 37, 236a SGB VI)

Wenn du einen GdB von mindestens 50 hast und auf mindestens 35 Versicherungsjahre kommst, kannst du zwei Jahre vor deiner regulären Altersrente in Rente gehen. Wenn du bereit bist, Abschläge in Kauf zu nehmen, ist sogar ein Rentenstart um bis zu fünf Jahre früher möglich.

Fazit: Eine Entscheidung mit Folgen

Du siehst: Der Gesetzgeber versucht, Schwerbehinderte und Gleichgestellte auf viele Arten zu fördern und zu schützen. Dieser Schutz ist deshalb notwendig, weil viele Arbeitgeber unbewusst abwehrend auf schwerbehinderte Arbeitnehmer(innen) reagieren. Mit einer förmlichen Feststellung deiner Schwerbehinderung erhälst du also, jedenfalls wenn du diesen Status gegenüber deinem Arbeitgeber offenlegst, einige gesetzliche Vorteile. Auf der anderen Seite erhälst du einen für deinen Arbeitgeber durchaus aufwändigen Sonderstatus (Verwaltungsaufwand, ggf. Auseinandersetzung mit dem Integrationsamt usw.). Abwägen, ob auf dieser Basis mit genau deinem Arbeitgeber noch ein langes und gutes Miteinander möglich ist, kannst nur du, da wir deinen Arbeitgeber ja nicht kennen. Eine Alternative ist ansonsten, deinen Arbeitgeber vorerst nicht in Kenntnis von deinem Schwerbehindertenstatus zu setzen. Erst wenn es zu einer Kündigung kommen sollte, kannst du dann deine Rechtsstellung mit der Schwerbehinderteneigenschaft oder der festgestellten Gleichstellung deutlich verbessern, hierfür muss dein Arbeitgeber wie oben gezeigt vorher nichts von deiner Schwerbehinderung gewusst haben.

 

 

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