„Mama, Deine Brust sieht aber komisch aus!“

„Mama, Deine Brust sieht aber komisch aus!“, sagte meine Tochter Ende Januar 2019 zu mir, als ich aus der Dusche kam. Einen Knubbel hatte ich schon Anfang Januar bemerkt beim Eincremen. Hatte ihn aber als Nachwirkung der Hormonumstellung nach meiner Gebärmutter-OP im Herbst 2018 gedeutet und abgewartet, ob er sich verkleinert. Er tat es nicht. Im Gegenteil.

Die Brustwarze hatte sich mittlerweile nach innen gezogen.

Am nächsten Tag – nach dem Kommentar meiner Tochter – rief ich bei meiner Gynäkologin an und erhielt für die kommende Woche einen Termin. Ihr besorgtes Gesicht sprach Bände. „Das sieht nicht gut aus! Am Besten ist es, wir schmeißen jetzt die Maschinerie in Gang.“ Warten. Bei der Mammografie zwei Wochen später konnte die Radiologin nichts erkennen. Fragte mich, warum ich hier sei. Und dann…sah sie ihn doch. Den Knoten. Auch sie machte ein ernstes Gesicht. „Wir machen eine Biopsie. Aber ich denke, sie haben nun einiges vor sich.“ Warten. Zwei Wochen später die Biopsie. Ergebnis: hormonrezeptorpositives Mammakarzinom.

Wieder warten.

Wieder zwei Wochen später Staging. Keine Streuung erkennbar. Warten bis zum Termin im Brustzentrum zwei Wochen später. Dann wieder warten bis die Tumorkonferenz die bevorstehende Behandlung festlegt. Nein, ich bin kein Privatpatient, wie man unschwer erkennt. Das war das schlimmste. Die Warterei. Und gleichzeitig zu spüren, wie der Tumor größer wird. Trump haben wir ihn genannt. Zoppo Trump. Wie der böse Widersacher des kleinen Königs Kalle Wirsch aus dem Kinderbuch von Tilde Michels. Schlussendlich wird der besiegt.

Für den 2. April war die Initial-OP festgesetzt: Port setzen, Lymphknotenentnahme und Tumorclipping. Aber dann war das Gerät defekt, das die Wächterlymphknoten aufspüren sollte. Also wurde die OP verschoben auf den 10. April. Zum 16. Geburtstag meines Sohnes konnte ich nicht zuhause sein. Vier Lymphknoten wurden entnommen, drei waren befallen.

Eine Woche vor meinem 39. Geburtstag lief die erste Chemo durch.

Erdbeersaft. Kurz vor der zweiten fielen mir die Haare aus. Mein Partner kam übers Wochenende zu Besuch und rasierte mir den Rest ab. Tatsächlich war ich bis kurz vor Ende der Chemo alleinerziehend mit einem 16-jährigen Sohn und einer 9-jährigen Tochter. Im Sommer zog mein Partner dann zu uns. Das war schon lange geplant und war dann auch wirklich dringend nötig. Länger alleine unter der Behandlung hätte ich es nicht geschafft. Die Nebenwirkungen waren auszuhalten aber das ganze Leben war runtergefahren. Nicht nur der Körper, auch die Psyche. Ich hatte viel Unterstützung von Freunden. Meine Familie wohnt 500 Kilometer entfernt und war mir allzeit mentale Stütze.

Der Tumor wurde kleiner unter der Chemo. Der Rest wurde mir im September entfernt. Zusammen mit der Brustwarze. Und weiteren 7 Lymphknoten. Anschließend noch Bestrahlung bis kurz vor Weihnachten. Dann galt ich als krebsfrei und war fertig. Also ich war wirklich fertig. Fatigue. Über Monate hinweg. Nun muss ich noch einige Jahre Tamoxifen nehmen. Und schlage mich mit den Wechseljahresbeschwerden rum.

Durch Corona wurde meine Reha verschoben. Das war aber tatsächlich das Beste, was passieren konnte. So hatte ich noch eine Schonfrist und durch die Coronaregeln war es eine entspannte und insgesamt heilsame Zeit im Sommer am Meer. Der Austausch mit Gleichgesinnten war unglaublich wichtig. Weshalb ich nun auch gerne hier schreibe. Erfahrungsaustausch.

Mittlerweile ist diese Dauermüdigkeit besser geworden und ich arbeite wieder. Wir haben uns einen Hund angeschafft, damit ich regelmäßig an die frische Luft komme. Die Kinder haben die einschneidende Zeit gut überstanden.

Der Alltag kehrt ein. Und ich hole mir Schritt für Schritt mein Leben zurück.