Ich, Jahrgang 1963, verheiratet, ein erwachsener Sohn, ein Hund.

Am 15. Dezember 2018 habe ich im Rahmen einer Vorsorgeuntersuchung (Mammographie) völlig überraschend meine Diagnose Brustkrebs erhalten.

So habe ich die Zeit erlebt und so sieht es heute 2 Jahre nach der Diagnose und fast 1,5 Jahre nach Ende meiner Chemotherapie bei mir aus.

In den ersten Wochen wurde ich von immer neuen Wellen überrollt. So viele fiese Untersuchungen bevor ich Klarheit hatte, wie meine Chancen stehen. Jede Menge Alptraumkopfkino gratis. Metastasen, Amputation, werde ich für meine Mutter noch da sein können, überhaupt meine Enkel sehen, wird meine Beziehung halten – so viele Fragen! Eins ist mir klar, wenn ich nicht in einem so privilegierten Land wie Deutschland geboren wäre, dann hätte bald mein letztes Stündlein geschlagen. Also, egal wer mich quält, egal wer, was, wie mit mir veranstaltet.

Demut und Dankbarkeit.

Nach einer gefühlten Ewigkeit (es ist Weihnachten und alle haben Urlaub) kommt nach 6 Wochen der Tag, da steht fest in welcher Reihenfolge (die ist individuell und sehr, sehr unterschiedlich) wir den Kampf gegen meinen Brustkrebs aufnehmen.

Das Quarto Chemotherapie, Operation, Antihormontherapie und Bestrahlung in verschiedener Abfolge stehen bei mir zur Auswahl.

Ich starte mit der Chemotherapie und nach der ersten Infusion denke ich, wen interessieren Haare angesichts der vielen Probleme, die sich einstellen? Die ersten 12 Einheiten vertrage ich relativ gut. Dann Horror im Dreiwochentakt Ewiger Dank an meine Freundin, die darauf bestand mich zu diesen vier letzten Einheiten zu begleiten und die in diesen Stunden des Grauens an meiner Seite ausgeharrt hat. Hatte ich bis dahin noch gedacht, der Wille und die Einstellung spielen eine Rolle. Aus und vorbei. Ich hatte keinen Willen mehr, ich habe nur noch versucht aufzuhören zu denken. Die Zeit einfach an mir abgleiten zu lassen und irgendwann wieder aufzutauchen.

Ich bekomme Hilfe und Unterstützung, wenn ich sie benötige. Mein Mann kümmert sich um den ganzen Papierkram, kämpft mit den Krankenkassen und an den Tagen, an den ich nicht alleine bleiben soll, ist unser Sohn an meiner Seite. Ich kann mich glücklich schätzen.

Mein Blick richtete sich nach innen, immer weniger Kontakt nach außen war möglich. Aber die Gedanken, die guten Wünsche, die Karten, die Nachrichten, das Kontakthalten, das war wichtig, denn es bedeutet es gibt mich noch.

Achterbahnfahrt.

Die Chemo war geschafft, ich stand völlig neben mit, aber das Krankenhaus wartet schon auf mich. Für mich bedeutet das, zwei OPs in sieben Tagen, es hätte besser, aber auch viel, viel schlechter laufen können. Dankbarkeit und Demut.

Die Ärzte sagen mir nach Auswertung meiner Histologie, dass ich nicht von einer Strahlentherapie profitieren würde. Das es dabei ein paar Wochen hin und her ging …, ein paar Nerven mehr gekostet hat …. spielt am Ende kaum noch eine Rolle. Ich war einfach erleichtert, dass mir das erspart blieb.

Ich entscheide mich gegen eine Anschluss Heilbehandlung, ich will Abstand von der Therapie und Abstand vom Leiden. Anfang Oktober 2019, 6 Wochen nach der letzten OP reise ich alleine für 2 Wochen nach Sylt. Gesundes Essen, tägliche kleine Wanderungen und viel, viel Schlaf.

Ich erhole mich, fühle mich langsam wieder als Person und denke, dass es jetzt weiter aufwärts geht.

Zurück beginne ich mit der Antihormontherapie. Mein Glaube, dass es weiter bergauf geht verfliegt. Viele Nebenwirkungen stellen sich ein und sind bis heute geblieben.

Ich habe in der Hoffnung gelebt, dass ich irgendwann wieder ich sein würde. Aber ich habe mich getäuscht. Alles ist anders und ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass irgendetwas besser ist als vorher. Ausgenommen davon sind die tollen mutigen Frauen, die ich kennenlernen durfte.

Wir die Betroffenen, aber auch unser Umfeld, dass uns durch diese schwere Zeit begleitet machen traumatische Erfahrungen. Die Versuchung ist groß, sich dafür verantwortlich zu fühlen, Schuldgefühle zu entwickeln. Aber das ist meiner Meinung nach falsch. Jeder von uns (Erwachsenen) muss sich selber auf den Weg machen, um einen Weg zu finden mit der eigenen Krankheit oder der des Partners zu leben. Reden, reden hilft.

Meine Botschaft. Sucht Euch eine Gruppe von Frauen, die auch betroffen sind.

Die meine hat mich geerdet, hier musste ich mich nicht erklären. Informationsaustausch ist sehr wichtig. Heute denke ich, es gibt keinen richtigen oder falschen Weg durch diese beschissene Krankheit, kein Rezept, jede von uns muss ihren eigenen Weg finden. Bleibt bei Euch, fühlt in Euch hinein und das was ihr wollt ist genau richtig für Euch. Schritt für Schritt, Tag für Tag. Es ist ein Marathon und dieser wird bekanntlich nicht auf den ersten 100 Metern entschieden. Wenn möglich haushaltet mit Euren Energiereserven und seid nicht zu stolz euch frühzeitig Hilfe in jeder Form zu suchen und diese anzunehmen.