Die Kühlhaube während der Chemo zum Erhalt der Haare // Ein Erfahrungsbericht

Es ist Ende Juli 2016, als ich meine hormonpositive Brustkrebsdiagnose erhalte.  Es geht dann terminlich alles sehr schnell:

  • 2.8. Biopsie
  • 4.8. MRT
  • 5.8. Vorgespräch, Sono und Setzen der Clips an jeden Tumor (2)
  • 10.8. Tumorkonferenz
  • 15.8. Vorgespräch OP
  • 16.8. OP der Lymphknoten und Setzen des Ports
  • 18.8. Perückentermin
  • 22.8. Gespräch in der Chemoambulanz der MHH
  • 25.8. CT und Knochenzinti
  • 29.8. erste große Chemo mit Kühlhaube (Achterbahnfahrt am Abend)

Was ist eine Kühlhaube und wie funktioniert sie?


Die Behandlung mit der Kühlkappe gegen den bevorstehenden Haarverlust während der Chemotherapie gab es schon einige Zeit an der MHH (Anmerkung: Medizinische Hochschule Hannover). Es gebe Hinweise darauf, dass sie zumindest bei einigen Menschen etwas nützt. Wesentlicher Bestandteil des Gerätes ist eine Silikonkappe, welche die Patientin während der Infusion der Chemotherapie trägt. Mit Hilfe der Kappe wird die Kopfhaut sensorgesteuert auf drei bis fünf Grad Celsius heruntergekühlt.

Dadurch verengen sich die örtlichen Blutgefäße, das Medikament kommt lokal nicht so gut an, wodurch die Haarwurzeln geschont werden. Bisher deutet Experten zufolge kaum etwas darauf hin, dass sich Patientinnen mit den Kühlhauben schaden könnten. Einige klagen über Kopfschmerzen aufgrund der Kälte. Es ist eine wahnsinnige Herausforderung, nur es wird nicht intensiv darüber gesprochen. Die Kopfhaut auf drei bis fünf Grad runterkühlen. Das muss man sich erstmal auf der Zunge zergehen lassen. Es kostet Überwindung, dieses Prozedere über mehrere Stunden auszuhalten. Aber man hat ein Ziel: Haare behalten. Und dafür probiert man doch alles, schließlich hat man nichts zu verlieren.

29.8.
Die erste Chemo mit dieser Kopfkühlkappe war spannend und aufregend und unglaublich anstrengend. Am Abend beginnt eine irre Achterbahnfahrt: Kopfschmerzen, Herzrasen, Übelkeit, nicht schlafen können. Wahnsinn. Neben der Kühlung auf dem Kopf werden ja auch Hände und Füße während der Chemo gekühlt.

19.9.
2. Chemo mit Kühlkappe. An diesem Tag schmerzt die Kühlhaube richtig. Ich friere und liege mit Wärmedecke im Bett. Ich habe Kopfschmerzen.

10.10.
3. Chemo mit Kühlkappe. Schon in den Tagen vor der Chemo ging es mir schlecht, wenn ich auch nur an die Kühlhaube gedacht habe. Diesmal bin ich ganz allein im Zimmer. Alles startet zunächst gut. Aber die Haube nervt. Einerseits möchte ich es gern schaffen und vielleicht die Haare behalten. Andererseits kostet es viel Kraft und Überwindung. Mir ist so saukalt, dass ich zittere, obwohl ich sogar eine Wärmedecke habe. Und dann diese Kälte vom Kopf her … irre. Ich bin am Zweifeln, ob ich es noch weiter durchhalte, die Kühlkappe zu ertragen.

Bei Taxol wäre es dann nicht nur alle drei Wochen, sondern jede Woche. Meine Gedanken kreisen und erstmalig ziehe ich in Erwägung, auf die Haube zu verzichten. Scheiß auf die Haare, wachsen doch wieder. Mir ist richtig dolle kalt, ich habe Schüttelfrost, meine Zähne klappern, ich bin völlig energiearm, meine Kopfhaut und mein Kopf schmerzen … ich will das nicht mehr.

Vor der 4. Chemo spreche ich mit der Onko-Psychologin, denn ich bin mir nun sicher, dass ich die Kühlhaube weglassen möchte. Seit dieser Entscheidung fühle ich mich richtig befreit und ich merke, wie sehr es mich gestresst hat. Nun ist klar, dass ich alle Haare verlieren werde, aber was soll’s. Zum Gesundwerden brauche ich die Haare nicht. Und meine Familie unterstützt meine Entscheidung. Es gibt Tücher, Hüte und Mützen.

Einen Tag vor der 4. Chemo rasiert mein Mann mir die Haare ab.

31.10.
Der Tag der 4. Chemo und ich gehe gut gestellt in diesen Behandlungstag, denn ich weiß, dass er ohne Kühlhaube stattfinden wird. Ich bin zwar am Ende kaputt, aber kein Vergleich zu den vorherigen Kühlhaubentagen.

Am 22.11. startet dann der nächste Chemodurchgang: am 7.2. erhalte ich die letzte von 12 Taxol-Behandlungen, es folgen noch Herceptingaben und dann die OP und 25 x Bestrahlung.

Bezüglich der Kühlhaube bereue ich gar nichts. Ich habe es versucht, aber ich habe es aufgegeben, weil es mir psychisch und physisch stark zusetzte. Die Entscheidung war richtig, denn mir ging es so viel besser und die Chemositzungen waren entspannter. Und ganz ohne Haare war ich zu keinem Zeitpunkt. Ich hatte immer so eine Art Flaum auf dem Kopf. Meine damals 10jährige Tochter nannte mich liebevoll: Geierbaby.


Jeder muss es für sich entscheiden, wie er mit der Kühlhaube umgeht.


Es ist eine tolle Erfindung und ich kenne viele Frauen, die es durchgehalten haben und denen es überhaupt nichts ausgemacht hat. Es ist typabhängig und natürlich auch eine Kopfsache. Ich bin dankbar, dass ich es ausprobieren durfte und drücke euch, Betroffenen, für alles, was noch kommt, die Daumen. Bleibt tapfer und stark, ihr seid nicht allein.