Beidseitiger Brustkrebs, Gendefekt…und auf einmal ist man im freien Fall

Mein Name ist Julia, ich bin aktuell 32 Jahre und seit fünf Monaten habe ich meine „Akuttherapie“ beendet. Akuttherapie ist so ein Wort, dass ich früher maximal in meinem Job benutzt habe. Seit 1,5 Jahren weiß ich, was es heißt, wenn man selber eine Akuttherapie durchmachen muss.

Ich bin 2019 eine von knapp 70.000 Frauen in Deutschland gewesen, die die Diagnose Brustkrebs erhalten hat. Ich bin ganz ehrlich, mit Krebs hatte ich bis zu meiner eigenen Erkrankung nicht sehr viel zu tun bzw. bin kaum damit in Berührung gekommen, da (glücklicherweise) bis dahin nur ein Krebsfall in meiner Familie vorkam. Meine Oma hat so oft betont, dass wir wirklich eine gesegnete Familie dahingehend sind. Tja, irgendwer bricht halt immer mit der „Tradition“ und dieses Mal sollte ich es sein. Ich hätte den 6er im genetischen Lotto gewonnen, meinte der nette Arzt im humangenetischen Zentrum der Medizinischen Hochschule damals zu mir. „Wow! Ich freue mich“ sagte ich noch ganz salopp damals zu ihm.

Meine Diagnose bekam ich im Juli 2019, genauer gesagt am 11.7.2019, der Verdacht wurde am 4.7.2019 geäußert. Meine Diagnose lautete Hormonrezeptor positiver, HER2 neu positiver Brustkrebs links mit Lymphknotenbefall (nach der OP wusste man, dass es 2 waren) PLUS hormonabhängiger Brustkrebs rechts ohne Lymphknotenbefall.

Die Woche bis zur Verkündung meiner Diagnose empfand ich als schwerste Woche in meinem Leben. Ich hatte bereits einige Monate vorher festgestellt, dass meine Brüste irgendwie größer geworden sind als ich dringend mal BHs kaufen musste, weil die anderen schlichtweg nicht mehr passten. Als die nette Verkäuferin in der Unterwäscheabteilung eines großen Kaufhauses mir dann sagte, dass ich ein bis zwei Körbchen größer bräuchte als ich bis dato immer gekauft hatte, dachte ich nur „Oh! Na endlich hast du die Brüste deiner Mutter!“. Ich bin ehrlich, ich dachte immer „Wieso sind meine Brüste eigentlich so klein im Vergleich zu denen der restlichen Frauen in meiner Familie?!“. Also ging ich Freude strahlend mit zwei neuen BHs nach Hause und machte mir keine weiteren Gedanken. Das war im März 2019. Während meiner Periode hatte ich immer unfassbar stark schmerzende Brüste. Das war ehrlich gesagt nie anders und ich kenne das von vielen Frauen in meinem Umfeld. Also wunderte ich mich nicht, dass es immer schlimmer wurde. Allerdings war ich gut ein Jahr vorher tatsächlich in einer Hormonsprechstunde, wo mir gesagt wurde, dass ich ein starkes Ungleichgewicht zwischen Östrogen und Progesteron hätte. Ich hatte diese Ärztin aufgesucht, weil ich die quälenden Periodenprobleme und die Tatsache, dass ich trotz Diäten immer auf dem gleichen Gewicht blieb seit Jahren als unnormal empfand und auch meine Gynäkologin meinte „Wir müssen das mal testen lassen“.

Tja, schön, dass ich schnell dran kam und schnell dieses Ergebnis hatte, aber niemand klärte mich damals dort auf, was das für den Körper bedeuten kann außer, dass ich abnehmen müsste, weil ich sonst Diabetes Typ II irgendwann bekommen könnte. Gesagt, gehört, getan…drei Kilo weniger und dann ging wieder nichts mehr. Also nahm ich den Umstand wieder so hin. Ich war irgendwie in einem Alter angekommen, wo ich mir, anders als mit Anfang 20, nicht mehr jeden Tag Gedanken um mein Gewicht machen wollte. Ich wusste, dass man mit sich selbst zufrieden sein muss, damit man gesund bleibt, auch wenn ein paar Kilo mehr auf den Rippen sind.

Zudem ging ich regelmäßig zum Hausarzt und ließ große Blutbilder machen, die Organe checken etc. Immer alles top. Meine Hausärztin war nie unzufrieden, weil sie wusste, dass ich versuche mich gut zu ernähren und mich viel bewegte.

Ja, viel Bewegung. Das war auch lange Jahre so. Aufgrund meines Jobs, einiger privater Verpflichtungen und einiger Verletzungen, beendete ich mein fast 20-jähriges aktives Sportleben und war von einem Tag auf den anderen was? Faul! Bis auf ein paar Spaziergänge die Woche, hatte ich schlichtweg keine Zeit für Sport.

Seit Oktober 2018 tat mir während Zeiten mit hohem Stresslevel enorm die linke Brust und linke Schulter weh. Ich dachte immer, dass ich mal zum Kardiologen muss, weil ich sicher zu viel Stress habe/mir mache. Ich war auch recht oft krank. Nicht richtig krank, weil ich trotzdem noch zur Arbeit gegangen bin, aber im Nachhinein weiß ich- ich war krank! Mein Körper hat mir ganz ganz lange signalisiert- Julia es ist zu viel! Hör auf damit! Pass mehr auf dich auf! Ich habe nicht sehr viel getan in der Hinsicht. Ich bin von Arzt zu Arzt gelaufen, weil ich ständig Rückenschmerzen, Kopfweh, Magenprobleme, Kiefergelenkschmerzen etc. hatte. Ich lag nach der Arbeit nur noch auf dem Sofa ausgebrannt, war dünnhäutig und fühlte mich ständig überfordert. Eigentlich hätte ich vor Jahren schon merken müssen, dass sehr vieles falsch läuft bei mir. Ich war physisch und psychisch nicht im Gleichgewicht. Mit meinen Erfahrungswerten, die ich jetzt habe, frage ich mich, ob ich das jenseits der 20 überhaupt mal war.

Obwohl ich über Monate diese Schmerzen in der linken Brust hatte (nicht immer) und die anderen Symptome, kam ich mit keinem einzigen Gedanken darauf, dass ich eventuell Krebs haben könnte. Dabei ist mein medizinisches Wissen nicht gerade klein gewesen vor der Erkrankung.

Nachdem ich im März 2019 dann den Größenunterschied der Brüste feststellte, stellte ich kurz danach außerdem fest, dass aus einer Brustwarze Flüssigkeit austrat, wenn man die Brustwarze stärker drückte. „Ok, das ist jetzt aber merkwürdig Julia!“ dachte ich damals und fing mal an zu googlen und vor allem meine Brust etwas abzutasten (damals noch völlig laienhaft). Ich fand einen Knoten auf der Außenseite meiner linken Brust, fataler Fehler!

Ab Mai 2019 kamen dann Brustschmerzen in der linken Brust in der Form neu hinzu, dass ich das Gefühl hatte mir sticht jemand mit einer glühend heißen Nadel durch die Brustwarze. Immer nur ein paar Minuten, aber immer schlimmer. Ich machte einen Termin bei einer Gynäkologin. Da ich mit meiner alten Gynäkologin nicht zufrieden war, suchte ich eine Neue auf. Diese tastete den Knoten in der Brust als sie (als Teil der normalen Vorsorge im Jahr) mich dort untersuchte. Sie fragte, ob der Knoten weh tut, was ich bejahte. Daraufhin bekam ich die Antwort „Gut, dann ist es zumindest nichts schlimmes! Brustkrebs tut nicht weh!“. Ähm Brustkrebs?!?! Hatte sie grad wirklich Brustkrebs gesagt? Ich bat um eine sofortige Sonographie der Brust. Dies lehnte sie ab mit der Aussage, dass dies nicht eingeplant war an dem Tag und ich mir einen neuen Termin machen sollte. Fassungslos verließ ich die Praxis, rief meine bisherige Gynäkologin an und bat um einen Termin.

Bei der erneuten Untersuchung bei meiner alten Gynäkologin stellte sie einen 2,2×2,7cm großen, aber klar abgrenzbare Befund links fest. Sie äußerte den Verdacht „Fibroadenom“ und fragte, ob es in meiner Familie Fälle von Brustkrebs gab? Da ich es schlichtweg bis dato nicht wusste aufgrund der komplizierten Beziehung zur väterlichen Seite meiner Familie, verneinte ich dies. Nun da müsse ich mir keine großen Gedanken machen, sagte sie. Trotzdem und in dem Falle Gott sei Dank schickte sie mich zur Abklärung zur Mammographie und machte mir auch gleich einen Termin.

Brustkrebs kann also viele Gesichter haben und mit unterschiedlichsten Symptomen einhergehen.

Meine Erfahrungen sollen nicht verunsichern und zur Hypochondrie führen, aber ein gesundes Körpergefühl bzw. Bewusstsein für den eigenen Körper, sollte jeder von uns haben. Es ist sehr wichtig Veränderungen an sich selbst wahrnehmen zu können, ob physisch oder psychisch. Wenn man das macht und zur regelmäßigen Vorsorge geht, auch in jungen Jahren und ggf. Mal auf eigene Kosten, kann man sein Leben retten.